20 Jahre anti-EGFR-Therapie bei RAS wt mCRC: aktuelle Behandlungsstrategien
ESMO Gastrointestinal Cancers-Kongress 2024
Patient:innen mit metastasiertem kolorektalem Karzinom (mCRC) profitieren von einer breiten Behandlungslandschaft und haben dennoch eine eher schlechte Prognose [1]. Beim von Merck (Schweiz) AG organisierten Satelliten Symposium «Where did we come from, where might we go?» am diesjährigen ESMO Gastrointestinal Cancers (GI)-Kongress diskutierten Prof. Clara Montagut (Hospital del Mar Research Institute in Barcelona), Dr. Benoist Chibaudel (Hôpital Franco-Britannique Fondation Cognacq-Jay, Paris), Dr. Chiara Cremolini (Universität Pisa) und Prof. Sebastian Stintzing (Charité Universitätsmedizin Berlin) über aktuelle Therapiestrategien für mCRC mit RAS* Wildtyp (wt). Das mCRC geht mit einer schlechten Prognose einher und verursacht in Europa jährlich etwa 250 000 Todesfälle [2]. Der monoklonale anti-EGFR*-Antikörper Erbitux® (Cetuximab) wird in der Schweiz seit mehr als 20 Jahren für diese Indikation eingesetzt und ist in verschiedenen Behandlungsstrategien für Patient:innen mit EGFR-exprimierendem mCRC und RAS wt wirksam [3, 4].° Seit der Zulassung haben diverse klinische Studien zu einem besseren Verständnis der Wirksamkeit und Sicherheit von Erbitux® beigetragen und der Wirkstoff wird auch weiterhin in zahlreichen Studien untersucht. Der diesjährige ESMO GI-Kongress fällt mit dem Jubiläum der anti-EGFR-Therapie zusammen; es wurden Strategien zur Erhaltungstherapie mit Erbitux® sowie das Thema Behandlungsablauf diskutiert. Evolution der mCRC-Behandlung Bis vor 20 Jahren waren die Behandlungsoptionen für Patient:innen mit mCRC auf Chemotherapie (ChT) oder Radiotherapie begrenzt [5]. Mit der Entdeckung, dass anti-EGFR monoklonale Antikörper die Zellproliferation hemmen, konnte der erste anti-EGFR-Wirkstoff, Erbitux®, die Behandlungslandschaft bereichern [6]. Erbitux® erhielt die Swissmedic Zulassung im Jahr 2003 und später folgte mit Panitumumab ein zweiter anti-EGFR-Antikörper für die Behandlung von EGFR-exprimierendem mCRC [3, 4, 7]. Die Anwendung der Wirkstoffe in der Klinik und zusätzliche Studien führten zum Bewusstsein, dass der KRAS*-Status eine Rolle in der Wirksamkeit von anti-EGFR-basierten Therapieschemata spielen könnte [8, 9]. Daraufhin wurde, auch basierend auf Ergebnissen der FIRE-3-Studie, die Empfehlung für eine Erstlinien-Behandlung von RAS wt mCRC-Patient:innen mit Erbitux® + FOLFIRI* oder FOLFOX* ausgesprochen [3, 10]. Die Rechallenge mit anti-EGFR-Antikörpern in späteren Linien kam als alternative Behandlungsoption auf, um den Krankheitsfortschritt weiter zu verzögern (Abb. 1) [11]. Zudem gab es Entwicklungen bezüglich der Tumor-Lokalisation als prognostischer und prädiktiver Biomarker, die auf eine bessere Wirksamkeit von anti-EGFR-basierten Therapien bei linksseitigen Tumoren hindeuteten [12]. Mit der STRATEGIC-1-Studie wurde der Behandlungsablauf ein wichtiger Aspekt in der personalisierten Medizin, sodass heutzutage verschiedene Strategien für die anti-EGFR-basierte Behandlung von mCRC erforscht sind und weiter untersucht werden [13]. Optimierung der Erstlinienbehandlung Aktuelle Behandlungsstrategien zielen darauf ab, das Ergebnis der Erstlinienbehandlung von mCRC-Patient:innen zu verbessern, wobei die Erhaltungstherapie wie auch die Stop-and-Go-Behandlung als Optionen zur Verfügung stehen. Zu Beginn des Satelliten Symposiums wurde die Wichtigkeit betont, eine möglichst effiziente Behandlung schon in der ersten Linie anzuwenden, da manche Patient:innen keine weiteren Behandlungslinien erhalten [14, 15]. Die ESMO-Leitlinien empfehlen für linksseitigen RAS wt mCRC die ChT + anti-EGFR-Behandlung. Bei rechtseitiger Erkrankung wird ChT+Bevacizumab (anti-VEGF*-Antikörper) präferiert und die Kombination aus ChT + anti-EGFR dann empfohlen, wenn eine Verringerung der Tumorgrösse angestrebt wird [1, 7]. In der klinischen Studie ERMES wurde die Möglichkeit einer Erhaltungstherapie mit Erbitux® allein erörtert und mit einer Fortführung der Erbitux® + FOLFIRI-Behandlung verglichen. Der ko-primäre Endpunkt medianes progressionsfreies Überleben (mPFS) unterstützte mit 10 Monaten unter Erbitux® allein (95 %-KI: 9,18-11,28) gegenüber 12,2 Monaten unter Erbitux® + FOLFIRI (95 %-KI: 11,28-13,19) die geltende Empfehlung zur Kombinationstherapie für die Erhaltung [1, 16]. Eine Erbitux®-Monotherapie in der Erstlinienerhaltung könnte aber für Patient:innen mit frühzeitiger Tumorschrumpfung (early tumor shrinkage, ETS) eine vielversprechende Option darstellen [17]. Die Stop-and-Go-Behandlung wurde in der klinischen Studie COIN-B untersucht [18]. Patient:innen mit RAS wt mCRC erhielten Erbitux® + FOLFOX gefolgt von entweder einem behandlungsfreien Intervall oder Erbitux®-Erhaltungstherapie. Nach einer Krankheitsprogression erhielten die Patient:innen das gleiche Schema auch in der zweiten Linie [18]. Der primäre Endpunkt «Überleben ohne Rezidiv oder tumorbedingten Todesfall» (failure-free survival, FFS) deutete auf einen Vorteil der fortdauernden Erbitux®-Behandlung gegenüber dem behandlungsfreien Intervall hin [18]. Behandlungsabläufe mit Erbitux® Die Empfehlungen zum Behandlungsablauf bei RAS wt mCRC hängen stark von der Tumor-Lokalisation, der Patientenpopulation und in späteren Linien auch von der vorangegangenen Therapie ab [1]. Verschiedene Metaanalysen versuchen daher retrospektiv die beste Sequenz von Behandlungsoptionen zu bestimmen. In der Analyse von Wu et al. zeigt sich dabei, dass die Erstlinienbehandlung mit einem anti-EGFR-Antikörper + ChT gefolgt von einem anti-VEGF-Antikörper in zweiter Linie der umgekehrten Sequenz überlegen ist [19]. Die CRICKET-Studie untersuchte die Behandlung mit Erbitux® + ChT in erster, ChT+Bevacizumab in zweiter und einer Rechallenge mit Erbitux® + Irinotecan in dritter Linie. Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt Gesamtansprechrate (overall response rate, ORR) mit 21 % (95 %-KI:10-40 %). Das mPFS lag bei 3,4 Monaten (95 %-KI: 1,9-3,8 Monate) und das mOS bei 9,8 Monaten (95 %-KI: 5,2-13,10) [20]. Die laufende Phase-III-Studie FIRE-4 untersucht nun die Wirksamkeit von Erbitux® + ChT Rechallenge gegenüber anderen Behandlungsoptionen [21]. Fazit Die Ergebnisse der zahlreichen abgeschlossenen und laufenden klinischen Studien werden helfen den Behandlungsablauf für verschiedene Patientenpopulationen mit RAS wt mCRC besser zu definieren. Derweil werden neben den gezielten Antikörpern zur Hemmung von Signalwegen auch weitere Behandlungsoptionen für mCRC erforscht, die Immuntherapie, Antibody-Drug-Conjugates und PARP-Inhibition umfassen. Diese, wie auch neuartige diagnostische Tools (z.B. liquid biopsy) werden die Therapielandschaft für mCRC weiter bereichern und immer bessere personalisierte Behandlungsoptionen ermöglichen. |
Abbildung 1: Strategien zur Behandlung von RAS wt mCRC, inkl. Erhaltungstherapie und Rechallenge.
PD, Krankheitsfortschritt (progressive disease). Adaptiert nach [1, 18].
° Erbitux® ist für Patient:innen mit EGFR-exprimierendem RAS wt mCRC in Kombination mit den
Chemotherapieschemata FOLFIRI* oder FOLFOX* zugelassen und wird als Monotherapie verwendet, wenn
eine Behandlung auf Oxaliplatin (OX)- oder Irinotecan (IRI)-Basis versagt hat oder eine IRI-Intoleranz vorliegt [3].
*Abkürzungen
- FOLFIRI = Folinsäure [FOL], 5-Fluorouracil [F], Irinotecan [IRI]
- FOLFOX = Folinsäure [FOL], 5-Fluorouracil [F], Oxaliplatin [OX]
- OPTIMOX = Stop-and-Go Oxaliplatin
- EGFR = Epidermal Growth Factor Receptor
- VEGF = Vascular Endothelial Growth Factor
- KRAS = Kirsten Rat Sarcoma Virus
Dieser Text entstand mit finanzieller Unterstützung von Merck (Schweiz) AG.
CH-ERB-00077 07/2024
Fachinformation von Erbitux®: www.swissmedicinfo.ch
Literatur
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